Würzburg, 23.07.2021. Vertreterversammlung der Caritas tagt im Burkardushaus. Umfangreiche Tagesordnung. Finanzlage bleibt größte Herausforderung.
Sie ist das Parlament der Caritas im Bistum Würzburg und tagt mindestens zweimal im Jahr: die Vertreterversammlung. Die Verantwortlichen aus allen Gliederungen des Verbandes trafen sich am Freitag, 23. Juli, im Würzburger Burkardushaus, um zu diskutieren, zu beraten und zu entscheiden. „Kirche und ihre Caritas erleben gegenwärtig eine Phase des Umbruchs“, so Domkapitular Clemens Bieber, der satzungsgemäß zur Zusammenkunft eingeladen hatte, in seinem geistlichen Impuls. Passend zum Tagesevangelium vom Weinstock und den Rebzweigen (Johannes 15,1-8) wies der Vorsitzende der Caritas darauf hin, dass die Haltung entscheidend sei. „Getrennt von mir, so Jesus, könnt ihr nichts vollbringen“. Es gehe darum, in der Verbindung mit Jesus Christus den Dienst für die Menschen zu leisten. „Die Krise, die sich unter anderem in der großen Zahl an Kirchenaustritten spiegelt, bietet aber auch die Chance, Haltung zu zeigen.“ Die Kirche leiste gerade in ihrem sozialen Engagement einen unverzichtbaren Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt. „Die Menschen erkennen, dass es uns um sie und ihre Anliegen und nicht um Profite auf dem sogenannten sozialen Markt geht“, unterstrich Bieber. „Alles ist sinnlos, wenn der Rückhalt nicht bei Jesus Christus gefunden wird. Und es hängt entscheidend davon ab, dass wahrgenommen werden kann: Wir sind in seinem Auftrag unterwegs.“
Schlankere Strukturen auf Diözesanebene
Im Rahmen der Vertreterversammlung stellte sich Andreas König als neuer Abteilungsleiter „Personal und Finanzen“ vor. König stammt aus Randersacker und ist dort familiär und kirchlich fest verwurzelt. Der 50-Jährige bringt sein Wissen und Können als Bankfachmann und Firmenkundenberater nun in den Dienst der Caritas ein. „Ich weiß, dass ich in schwierigen Zeiten meine Arbeit beginne. Aber ich bin keiner, der die Herausforderung scheut“, so König.
Mit der Reduzierung der Vorstandsposten und der Konsolidierung der Abteilungen seien bereits große Schritte in der Geschäftsstelle gegangen worden, um Gelder einzusparen, so König. „Es gibt nur noch einen Vorstand. Aus sechs Abteilungen werden ab 1. August vier. Die Anzahl der Fachbereiche, die zukünftig als Referate organisiert sein werden, wird ebenfalls stark reduziert“, führte König aus. Jede freiwerdende Stelle komme grundsätzlich auf den Prüfstand.
„Wir haben die beiden Abteilungen ‚Lebenslagen‘ und ‚Lebensphasen‘ zusammengeführt zur großen Abteilung ‚Soziale Dienste‘“, erläuterte deren neue Leiterin Sonja Schwab. Schlankere Strukturen seien notwendig, auch wenn dies mehr Arbeit mit sich bringe.
„Ich will an dieser Stelle unseren Abteilungsleitungen ausdrücklich danken“, so Bieber. „Ihr seid die, die letztlich den Diözesanverband wuppen.“ Die Anwesenden quittierten dieses Lob mit spontanem Applaus.
Angespannte Finanzlage
Wie notwendig Einsparungen seien, machte Dr. Rudolf Fuchs, Vorsitzender der Finanzkommission im Caritasrat, deutlich. Zugesagte Mittel seien im Haushaltsjahr 2020 nur zur Hälfte an die Caritas überwiesen worden, sodass eine millionenschwere Lücke klaffe. „Wir mussten zweckgebundene Rücklagen für das laufende Geschäft aufbrauchen, um die eigenen Dienste als DiCV und die subsidiären Strukturen und deren Dienste sicherzustellen. Ebenso konnten notwendige Maßnahmen in der Fläche nicht angegangen werden.“ Als Finanzkommission nehme man die Aufsicht sehr ernst und schaue sehr genau hin, wie die Caritas mit den ihr anvertrauten Geldern umgehe. „Ich sehe ein hohes Maß an Verantwortung und Sorgfalt“, bescheinigte Fuchs der Caritas, zugleich stelle sich die Frage, wie es in Zukunft weitergehen könne. „Wenn der Kirche insgesamt die Einnahmen wegbrechen, dann muss der Diözesanverband ebenso sparen wie die zugehörigen Orts- und Kreisverbände und andere Gliederungen“, so Fuchs. „Die Frage bleibt: Was kann und soll die Caritas in Zukunft noch an kirchlichem Auftrag erfüllen, wenn ihr die Mittel dazu fehlen?“
„Für die Kirche braucht es dringend eine Priorisierung ihrer Aufgaben“, führte Domkapitular Bieber aus. Überall gleichermaßen einsparen zu wollen, sei kein Weg, der in eine gute Zukunft führe.
Politische Dimensionen
Einmal mehr wurde deutlich, dass die Arbeit der Caritas auf das Engste verknüpft ist mit Kommunen, Bezirk und Freistaat. Mit den Kirchensteuermitteln würden wichtige Aufgaben für das Gemeinwesen wahrgenommen, unterstrich Bieber. Die Caritas erbringt ihren Dienst für die Menschen an vielen Stellen im Auftrag des Staates. „Wir sind flächendeckend in der Flüchtlingsberatung tätig“, rief Andreas König in Erinnerung, „bekommen diesen wichtigen Dienst aber bei Weitem nicht auskömmlich finanziert.“ Wo diese Arbeit auch in Zukunft erbracht werden solle, müsse sich etwas an den Rahmenbedingungen ändern. „Wir brauchen einen Neuansatz beim Umgang mit Flucht und Asyl“, unterstrich die langjährige Präsidentin des Bayerischen Landtags und Ehrenvorsitzende der Caritas, Barbara Stamm. „Menschen, die nicht in ihr Herkunftsland zurückgeführt werden können, und davon gibt es viele, brauchen hier eine Perspektive und engmaschige Begleitung und Betreuung.“ Es könne nicht angehen, dass man die Frauen und Männer sich selbst überlasse, ohne Sprachkurs, ohne Integration, ohne Tagesstruktur. „Es ist nicht kurz vor zwölf, sondern schon kurz nach zwölf. Der Staat muss handeln!“
Die Caritas sei in der Lage dieses Feld zu bedienen, entgegnete Christopher Franz, Geschäftsführer im Caritasverband Aschaffenburg. „Es braucht aber eine bessere finanzielle Ausstattung. Wir bekommen nur 65 Prozent refinanziert. Das reicht nicht aus.“ Zumindest für das Jahr 2022 bestehe die Hoffnung, dass dieser Dienst zumindest durch Kirchensteuermittel ermöglicht werden kann, ergänzte Andreas König. Es brauche aber verbindliche Zusagen seitens des Staates und eine langfristige Perspektive.
Entlastung und Nachwahl
Einstimmig wurde der Caritasrat als Aufsichtsgremium durch die Vertreterversammlung entlastet. Für Dieter Fuchs, langjähriger Geschäftsführer im Caritasverband Aschaffenburg, wurde dessen Nachfolger, Christopher Franz einstimmig in den Caritasrat nachgewählt. Franz, studierter Sozialpädagoge, konnte im Stadtverband Frankfurt viele Caritaserfahrungen sammeln. „Ich freue mich auf die Zusammenarbeit, auch in diesem Gremium“, unterstrich Franz, der mit Frau und zwei Kindern in Heimbuchenthal lebt.
Bessere Rahmenbedingungen in der Pflege
Über das Ringen um bessere Rahmenbedingungen in der Pflege und die zurückliegenden Auseinandersetzungen zwischen Caritas und der Gewerkschaft ver.di, berichtete Stefan Weber, Geschäftsführer des Caritasverbandes für die Stadt und den Landkreis Würzburg. Die Kommunikation im Umfeld der Ablehnung des Flächentarifvertrages sei ein Desaster gewesen, so Weber. „Das muss dringend aufgearbeitet werden.“ Argumente für und wider habe es reichlich gegeben, am Ende sei die Ablehnung eines Vertrages als Mindeststandard in der Pflegebranche aber richtig gewesen. „Wo es ein durchschnittliches Angebot gibt, besteht die Gefahr, dass es bald für alle zum Standard wird“, so Weber. „Die Caritas zahlt gut und hat gute Rahmenbedingungen. Die sollten der Maßstab sein!“
„Bei der Pflege geht es nicht nur um Geld, sondern um die Rahmenbedingungen insgesamt. Wie werden die Schichtdienste gestaltet? Wie ist es mit der Erholung? Wieso kommen unsere Pflegekräfte nur umständlich an Rehamaßnahmen?“ Stamm erinnerte an das neue Projekt „plento“. „Das ist ein sehr gutes Angebot der Caritas an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflege, auch für pflegende Angehörige, um wieder auftanken zu können. Ich hoffe sehr, dass dieses Angebot im schönen Kurhotel Bad Bocklet auch angenommen wird.“
Projekt „VIERWÄNDE“
Wie vielfältig die Caritas ist, wurde auch im Vortrag von Dominik Hübner deutlich. Er stellte das Projekt „VIERWÄNDE“ vor, das am Heimathof Simonshof, einer traditionsreichen Einrichtung der Caritas für wohnsitzlose Männer, in Bastheim angesiedelt ist. „Unser Ausgangspunkt ist die Tatsache, dass in der Planungsregion 3 – Main-Rhön – nur sehr vereinzelt Angebote für Menschen mit Wohnproblematik vorhanden sind“, so Hübner. Im Projekt würden die Angebote erfasst, im Idealfall besser miteinander vernetzt und bedarfsgerecht erweitert. „Wohnungslosigkeit ist ein Problem. Wir sehen, dass es kaum präventive Maßnahmen gibt, um Menschen vor dieser Situation zu bewahren.“ Denkbar sei eine mobile Fachstelle, die insbesondere den ländlichen Raum in Rhön-Grabfeld und den Haßbergen bedienen könnte. Das auf zwei Jahre angelegte Projekt werde vom Freistaat gefördert und durch die Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt wissenschaftlich begleitet.
Mit dem Hinweis auf den Vinzenztag am 26. September im Kurhaus Bad Bocklet und guten Wünschen für die Sommerpause, beendete Domkapitular Clemens Bieber die dreistündige Sitzung. „Danke für Ihr großes Engagement, das sich heute wiederum in der beachtlichen Teilnehmerzahl spiegelt und Ihr Ausharren bei und mit der Caritas.“
Sebastian Schoknecht